Sexhandel-Skandal bei Abercrombie & Fitch: Ehemaliger CEO Jeffries zu krank für Verhandlung

Der frühere Vorstandsvorsitzende der US-amerikanischen Modekette Abercrombie & Fitch, Mike Jeffries, muss sich vorerst nicht vor Gericht verantworten. Eine New Yorker Richterin hat entschieden, dass der 80-jährige aufgrund einer spätbeginnenden Alzheimer-Demenz derzeit verhandlungsunfähig ist. Jeffries war im Oktober 2023 wegen des Vorwurfs des Sexhandels mit männlichen Models festgenommen worden, wie queer.de berichtete.

Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Jeffries

Mike Jeffries, der Abercrombie & Fitch von 1992 bis 2014 leitete, wird vorgeworfen, gemeinsam mit seinem britischen Lebenspartner Matthew Smith und einem Vermittler namens James Jacobson ein ausgeklügeltes System organisiert zu haben, bei dem junge männliche Models zu Sexpartys rund um die Welt geschickt wurden. Die Anklage umfasst den Zeitraum von 2008 bis 2015, wobei die Staatsanwaltschaft vermutet, dass bereits seit 1992 zahlreiche Männer betroffen waren.

Bei diesen Events sollen die Männer laut Staatsanwaltschaft "invasiven sexuellen und gewalttätigen Kontakten" ausgesetzt gewesen sein. Die Vorwürfe kamen 2023 erstmals in einer BBC-Dokumentation ans Licht, in der mehrere Männer erklärten, von Jeffries ausgebeutet oder misshandelt worden zu sein.

Gesundheitszustand verzögert Verfahren

Richterin Nusrat Choudhury erklärte, Jeffries müsse nun bis zu vier Monate in einem Krankenhaus behandelt werden. In dieser Zeit soll festgestellt werden, ob er wieder verhandlungsfähig wird. Die Anwälte des ehemaligen Modechefs hatten erklärt, dass sich seine Krankheit "mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verschlimmern" werde.

Sollte keine Verbesserung eintreten, hat die Staatsanwaltschaft mehrere Möglichkeiten: Sie könnte die strafrechtlichen Anklagepunkte gegen Jeffries fallenlassen oder Hausarrest anordnen. Alle drei Beschuldigten – Jeffries, Smith und Jacobson – haben bislang auf nicht schuldig plädiert.

Abercrombie & Fitch distanziert sich

Abercrombie & Fitch hat sich öffentlich entsetzt und angewidert über die Vorwürfe gegen ihren ehemaligen CEO geäußert. Das Unternehmen hat einen Teil der jährlichen Rentenzahlungen an Jeffries ausgesetzt und eine unabhängige Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei eingeleitet, wie Business Insider berichtet.

Die Modekette, die unter Jeffries' Führung für ihr kontroverses Marketingkonzept bekannt war, das fast ausschließlich junge, durchtrainierte und weiße Models in den Mittelpunkt stellte, bemüht sich seit Jahren um ein inklusiveres Image. Dabei hat das Unternehmen verstärkt die LGBTQ+-Community unterstützt.

Wandel bei Abercrombie & Fitch

Während Jeffries als Firmenchef in der Vergangenheit mit Aussagen für Kontroversen sorgte, wonach er nur "coole, gut aussehende Leute" als Kunden wolle, hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren stark gewandelt. Seit 17 Jahren erhält Abercrombie & Fitch eine Top-Bewertung im Corporate Equality Index der Human Rights Campaign, einer bedeutenden US-amerikanischen LGBTQ+-Organisation.

Das Unternehmen bietet mittlerweile eine ganzjährige Pride-Kollektion an und hat Partnerschaften mit Organisationen wie The Trevor Project und GLSEN geschlossen – beides Organisationen, die sich für LGBTQ+-Jugendliche einsetzen.

Auswirkungen auf die Modeindustrie in Deutschland

Der Fall Jeffries wird auch in der deutschen Modebranche diskutiert. Ähnlich wie in den USA stehen hierzulande Fragen nach Machtmissbrauch und Ausbeutung im Vordergrund. Der Deutsche Moderat und die Initiative #FashionistDiversity haben in den letzten Jahren verstärkt auf bessere Arbeitsbedingungen und ethische Standards in der Modebranche gedrängt.

In Deutschland betreibt Abercrombie & Fitch mehrere Filialen, unter anderem in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München. Das Unternehmen hat auch hier seine Marketingstrategie grundlegend verändert und setzt auf Diversität und Inklusion statt auf das frühere exklusive Image.

Bedeutung für die LGBTQ+-Community

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland ist der Fall besonders beunruhigend. Einerseits hatte Abercrombie & Fitch unter Jeffries' Führung in der schwulen Community eine große Anhängerschaft. Andererseits werfen die Missbrauchsvorwürfe ein düsteres Licht auf die Ausbeutung junger Männer unter dem Deckmantel der Modeindustrie.

Deutsche LGBTQ+-Organisationen wie der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) betonen, wie wichtig es ist, Machtstrukturen zu hinterfragen und gegen jede Form von Missbrauch vorzugehen – unabhängig von der sexuellen Orientierung der Beteiligten.

Der Aufstieg und Fall von Abercrombie & Fitch unter Jeffries war bereits 2022 Gegenstand einer Netflix-Dokumentation. Die aktuellen Entwicklungen geben diesem Fall eine neue, noch gravierendere Dimension und verdeutlichen, wie weit der Schatten der Vergangenheit reichen kann.

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