Der baden-württembergische Landtag wurde am Donnerstag von einem Skandal erschüttert, der die Grenzen des politischen Anstands überschritt: Der schwule SPD-Abgeordnete und Landtagsvizepräsident Daniel Born räumte ein, bei einer geheimen Abstimmung ein Hakenkreuz hinter den Namen eines AfD-Abgeordneten gezeichnet zu haben. Der Vorfall, der zunächst für Empörung und Verwirrung sorgte, endete mit Borns Rücktritt aus dem Landtagspräsidium und der SPD-Fraktion.
Eine "Kurzschlussreaktion" mit schwerwiegenden Folgen
In seiner Erklärung beschrieb Born seine Tat als "Kurzschlussreaktion" und "schwerwiegenden Fehler". Der 49-jährige Jurist aus Schwetzingen, der seit 2016 im Landtag sitzt und seit 2021 als einer von zwei Vizepräsidenten fungierte, sah sich zu diesem drastischen Schritt veranlasst, nachdem ihn die "Verachtung, mit der eine AfD-Rednerin im Landtag über transsexuelle Kinder gesprochen hatte", intensiv aufgewühlt habe.
Dieser Vorfall verdeutlicht die angespannte Atmosphäre in deutschen Parlamenten, wo LGBTQ+-Politiker*innen täglich mit diskriminierenden Äußerungen konfrontiert werden. Ähnliche Spannungen zeigen sich auch im Bundestag, wo queer-feindliche Rhetorik zunehmend salonfähig zu werden droht.
Ein queerer Politiker zwischen Überzeugung und Verzweiflung
Born, der als früheres Vorstandsmitglied beim queeren Verein PLUS Rhein-Neckar aktiv war und zeitweise als offizieller Fraktionssprecher der SPD "für LSBTTIQ-Menschen" fungierte, beschrieb in seinem Rücktrittsschreiben die zunehmende Belastung durch die Präsenz rechtsextremer Kräfte im Parlament. "Die zunehmende Gewöhnung an die Partei lässt mir keine ruhige Minute mehr", schrieb er über die AfD, die er als "gesichert rechtsextreme, die Demokratie verachtende Partei" bezeichnete.
Seine Worte spiegeln eine Realität wider, die viele LGBTQ+-Politiker*innen in Deutschland kennen: den ständigen Kampf gegen eine Normalisierung von Hass und Hetze. Statistiken des LSVD zeigen, dass Gewalt und Diskriminierung gegen queere Menschen in Deutschland zunehmen, was auch vor den Parlamenten nicht Halt macht.
Juristische und politische Konsequenzen
Neben den politischen Folgen könnten auf Born auch juristische Konsequenzen zukommen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Tatbestand des Paragraphen 86a des Strafgesetzbuchs erfüllt ist, der das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt. Eine Verurteilung könnte eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.
Der betroffene AfD-Abgeordnete Bernhard Eisenhut stellte ebenfalls Strafanzeige und forderte, dass Born auch sein Mandat niederlegt. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) schloss sich dieser Forderung an und sprach von einer "Schande für den Landtag".
Ein Weckruf für die deutsche Demokratie
Borns Fall wirft wichtige Fragen über den Umgang mit rechtsextremen Kräften in deutschen Parlamenten auf. Seine Erklärung, er habe "zeigen wollen, dass Stimmen für die AfD egal bei welcher Wahl immer Stimmen für rechten Hass und Hetze sind", verdeutlicht die Frustration vieler Demokrat*innen angesichts der zunehmenden Salonfähigkeit extremistischer Positionen.
Gleichzeitig zeigt der Vorfall die Grenzen des politischen Protests auf. Analysen der Bundeszentrale für politische Bildung belegen, dass die Präsenz der AfD in deutschen Parlamenten die politische Kultur nachhaltig verändert hat.
Solidarität und Reflexion in der LGBTQ+-Community
In seiner Erklärung betonte Born: "Ich liebe unsere Demokratie, unsere Vielfalt und unseren Zusammenhalt. Als Sozialdemokrat, queerer Mensch und Parlamentarier für diese Werte werbend eintreten zu können, stand im Mittelpunkt meiner Arbeit." Diese Worte verdeutlichen das Dilemma vieler LGBTQ+-Politiker*innen, die täglich zwischen dem Kampf für ihre Überzeugungen und den Grenzen des Erlaubten navigieren müssen.
Der Vorfall sollte als Mahnung dienen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus und für queere Rechte nicht mit den Mitteln des Gegners geführt werden darf. Stattdessen braucht es starke zivilgesellschaftliche Netzwerke und eine entschlossene demokratische Opposition, die ihre Werte auch in schwierigen Zeiten hochhält.
Daniel Borns Rücktritt markiert einen traurigen Wendepunkt in der deutschen Politik - nicht nur wegen seiner Tat, sondern auch wegen der Umstände, die zu dieser "Kurzschlussreaktion" führten. Es liegt nun an der gesamten demokratischen Gesellschaft, aus diesem Vorfall zu lernen und Wege zu finden, wie queere Politiker*innen effektiv gegen Hass und Hetze kämpfen können, ohne dabei selbst über die Grenzen des Erlaubten hinauszugehen.