Russlands Internetzensur erreicht neue Dimension: Selbst die Suche nach LGBTQ+-Inhalten wird bestraft

Das russische Parlament hat einen weiteren drastischen Schritt in Richtung totaler Internetzensur unternommen. Ein neuer Gesetzentwurf, der bereits in zweiter Lesung von der Duma angenommen wurde, sieht Geldstrafen für die bloße Internetsuche nach als "extremistisch" eingestuften Inhalten vor. Besonders betroffen: Die LGBTQ+-Community, deren "internationale Bewegung" bereits seit November 2023 als extremistisch gilt. Die ursprüngliche Nachricht stammt von Queer.de.

283 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf, der Geldstrafen von bis zu 5.000 Rubel (etwa 55 Euro) für entsprechende Internetsuchen vorsieht. Wer VPN-Verbindungen bewirbt oder private SIM-Karten weitergibt, muss sogar mit Strafen von bis zu 500.000 Rubel (etwa 5.500 Euro) rechnen. Was zunächst wie ein technisches Gesetz wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als weiterer Baustein systematischer Unterdrückung.

Wenn das Internet zum Minenfeld wird

Der Begriff "extremistisch" wird in Russland bewusst vage gehalten und umfasst neben Terrororganisationen auch politische Opposition und religiöse Bewegungen. Seit der Einstufung der "internationalen LGBT-Bewegung" als extremistisch durch den Obersten Gerichtshof im November 2023 leben queere Menschen in Russland in ständiger Angst.

Die Parallelen zu Deutschland sind erschreckend, wenn man bedenkt, dass auch hier in den 1930er und 1940er Jahren die Verfolgung von LGBTQ+-Personen systematisch betrieben wurde. Der Paragraph 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, wurde erst 1994 vollständig abgeschafft. Was in Russland heute geschieht, erinnert an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte – nur mit digitalen Mitteln.

Absurde Realität: Wenn Denunziant*innen sich beschweren

Besonders zynisch wirkt die Kritik der kremlfreundlichen Bloggerin Jekaterina Misulina, die für ihre Denunziationen von ukrainischen Künstler*innen und Journalist*innen bekannt ist. Sie befürchtet, ihre "Arbeit" nicht mehr verrichten zu können, wenn Recherchen nach "extremistischen" Inhalten verboten werden. Diese Aussage zeigt die perverse Logik des Systems: Selbst die Handlanger des Regimes werden von der eigenen Repression erfasst.

Der kommunistische Abgeordnete Alexej Kurinny warnte vor den praktischen Konsequenzen: Etwa 40 Prozent der russischen Bevölkerung nutzen VPN-Verbindungen, um auf verbotene Dienste wie Facebook oder Instagram zuzugreifen. "Es ist absolut unfair, all diese Menschen auf die Feindesliste zu setzen", argumentierte er.

Deutsche Perspektive: Solidarität und Schutz

Während in Deutschland die Bundesregierung mit dem Aktionsplan "Queer leben" aktiv für die Rechte von LGBTQ+-Personen eintritt, verschärft sich die Situation in Russland kontinuierlich. Deutsche Organisationen wie der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) bieten nicht nur Unterstützung für queere Menschen in Deutschland, sondern auch Solidarität mit verfolgten LGBTQ+-Personen weltweit.

Die Kontraste könnten nicht größer sein: Während in Deutschland queere Menschen heiraten, Kinder adoptieren und offen leben können, wird in Russland bereits die Suche nach Informationen über LGBTQ+-Themen kriminalisiert. Amnesty International bezeichnet die russische Gesetzgebung als "menschenfeindlich" und warnt vor den weitreichenden Konsequenzen für die Menschenrechte.

Mehr als nur Zensur: Ein Angriff auf die Menschlichkeit

Das neue Gesetz ist mehr als nur eine weitere Verschärfung der Internetzensur – es ist ein direkter Angriff auf die Menschenwürde und das Recht auf Information. Wenn bereits die Suche nach Informationen unter Strafe steht, wird das Internet von einem Werkzeug der Aufklärung zu einem Instrument der Unterdrückung.

Für die deutschen LGBTQ+-Community sollte diese Entwicklung eine eindringliche Erinnerung daran sein, wie fragil demokratische Rechte sein können. Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte – von der Streichung des Paragraphen 175 über die Ehe für alle bis hin zum Selbstbestimmungsgesetz – sind keine Selbstverständlichkeit.

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch eine dritte Lesung in der Duma und die Zustimmung des Oberhauses durchlaufen. Doch angesichts der politischen Realität in Russland scheint eine Verabschiedung nur noch eine Frage der Zeit. Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, nicht nur zu protestieren, sondern auch konkrete Hilfe für die Betroffenen zu leisten.

Retour au blog