Queerfeindliche Gewalt in Frankfurt nimmt zu: Zwei Männer bei nächtlichem Angriff verletzt

In der Nacht zu Sonntag wurden zwei Männer aus der queeren Community in Frankfurt am Main von zwei Unbekannten angegriffen und einer von ihnen verletzt. Die Polizei stufte den Vorfall als queerfeindlichen Übergriff ein, wie queer.de berichtet. Der Angriff reiht sich in eine besorgniserregende Zunahme queerfeindlicher Gewalt in Deutschland ein, die auch vor der Mainmetropole nicht Halt macht.

Der Vorfall in der Frankfurter Innenstadt

Nach Polizeiangaben waren die beiden 28 und 26 Jahre alten Männer gegen ein Uhr nachts in der Großen Friedberger Straße zu Fuß unterwegs, als ein Unbekannter sie beleidigte. Der verbale Angriff eskalierte schnell: Der Täter schlug und trat den 28-Jährigen und ging anschließend auch den jüngeren Mann an, als dieser zu schlichten versuchte. Ein zweiter Täter, der auf einem Fahrrad vorbeifuhr, schlug dem Älteren zusätzlich mit der Hand ins Gesicht. Der 28-Jährige wurde bei dem Angriff leicht verletzt. Beide Täter flüchteten nach der Tat.

Die Polizei hat folgende Täterbeschreibungen veröffentlicht:

  • Täter 1: Männlich, ca. 180 cm groß, ca. 25-30 Jahre alt, schwarze kurze Haare, trug eine weiß-beige Jacke von The North Face, eine schwarze Hose sowie eine schwarze Basecap.
  • Täter 2 (Fahrradfahrer): Männlich, bekleidet mit einem gelb-beigen Hoodie, einer grauen Jogginghose, trug weiße Sneaker und einen grauen Rucksack. Er war auf einem weißen Mountainbike mit blauen Applikationen unterwegs.

Die Polizei bittet Zeugen, die sachdienliche Hinweise zu den Tätern geben können, sich unter der Rufnummer (069) 755 10100 zu melden.

Alarmierende Zunahme queerfeindlicher Gewalt in Deutschland

Der Vorfall in Frankfurt steht beispielhaft für einen bundesweiten Trend steigender queerfeindlicher Gewalt. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden im Jahr 2023 insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* erfasst – ein alarmierender Anstieg von fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als jeder zehnte Fall von Hasskriminalität in Deutschland richtet sich inzwischen gegen queere Menschen.

Besonders besorgniserregend ist die Zunahme der Gewaltdelikte. Laut Daten des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) sind die registrierten Fälle queerfeindlicher Gewalt seit 2018 kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 2022 wurden 288 Gewaltdelikte und 449 Beleidigungen mit queerfeindlichem Hintergrund registriert. Expertinnen und Experten gehen zudem von einem erheblichen Dunkelfeld aus, da viele Betroffene keine Anzeige erstatten.

Frankfurt im Fokus

Auch in Frankfurt häufen sich die Berichte über queerfeindliche Übergriffe. Erst im Oktober 2023 kam es zu einem Angriff mit Pfefferspray in einer Bar im queeren Viertel, bei dem 15 Gäste attackiert und zwei Menschen verletzt wurden. Die Polizei reagierte darauf mit erhöhter Präsenz, um der queerfeindlichen Gewalt im Viertel zu begegnen.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Hessen kritisierte allerdings, dass eine erhöhte Polizeipräsenz allein nicht ausreiche. „Was wir brauchen, ist eine bessere Schulung und Sensibilisierung der Polizei für Hasskriminalität", forderte ein Sprecher des Verbands. „Queerfeindliche Gewalt muss klar benannt und gezielt verfolgt werden."

Hintergründe der queerfeindlichen Gewalt

Die Gründe für den Anstieg queerfeindlicher Gewalt sind vielschichtig. Nach Einschätzung der Expertin Fiona Kalkstein vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft sehen sich viele Täter als „Vollstrecker eines von ihnen fantasierten Mehrheitswillens". Queere Menschen würden von ihnen als minderwertig betrachtet und daher angegriffen.

Der LSVD verweist zudem auf den zunehmenden Einfluss antidemokratischer Kräfte. In ihrem Bericht zur queerfeindlichen Hasskriminalität stellt der Verband fest: „Wenn eine Minderheit wie LSBTIQ* verbal und physisch immer öfter angegriffen wird, ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr."

Besonders alarmierend: Im Jahr 2023 wurden vermehrt Angriffe gewaltorientierter Rechtsextremisten auf queere Veranstaltungen verzeichnet, insbesondere in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wie die Statistik des Bundeskriminalamts zeigt.

Maßnahmen und Forderungen

Um die queerfeindliche Gewalt wirksam zu bekämpfen, fordern LGBTQ+-Verbände verschiedene Maßnahmen:

  • Die explizite Aufnahme von queeren Menschen in das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 3)
  • Eine bessere Schulung und Sensibilisierung der Polizei für Hasskriminalität
  • Verstärkte Präventionsarbeit in Schulen und öffentlichen Einrichtungen
  • Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene

Bund und Länder haben mittlerweile reagiert und eine virtuelle Landkarte für polizeiliche Anlaufstellen und Beratungsangebote für Betroffene eingerichtet. Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, betonte jedoch: „Es reicht nicht, Betroffene zu unterstützen – wir müssen queerfeindliche Gewalt an der Wurzel bekämpfen."

Solidarität in der Community

In Frankfurt und anderen deutschen Städten haben sich nach wiederholten Angriffen Solidaritätsnetzwerke gebildet. Lokale LGBTQ+-Organisationen bieten Begleitservices für den nächtlichen Heimweg an und organisieren Selbstverteidigungskurse.

Der aktuelle Vorfall in Frankfurt zeigt einmal mehr: Trotz aller rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritte bleibt die Sicherheit queerer Menschen in Deutschland ein drängendes Problem. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um queerfeindlicher Gewalt entgegenzutreten und ein Klima der Akzeptanz und Wertschätzung zu schaffen.

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