Queer-Beauftragte Sophie Koch warnt vor zunehmendem Kulturkampf gegen LGBTQ+-Menschen

Die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), schlägt Alarm: Die Feindseligkeiten gegenüber queeren Menschen nehmen dramatisch zu. In einem Interview mit der Rheinischen Post warnt die Dresdener Landtagsabgeordnete vor einem gefährlichen Kulturkampf, der längst erreichte Fortschritte zunichtemachen könnte.

RĂĽckkehr grundlegender Diskussionen

„Ich habe das Gefühl, dass wir wieder grundlegender über die Existenz geschlechtlicher Vielfalt diskutieren, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war", erklärt Koch. Diese Entwicklung ist besonders besorgniserregend, da sie zeigt, wie fragil gesellschaftliche Fortschritte sind. Die Zahlen geben ihr recht: Das Bundeskriminalamt registrierte 2023 1.785 Straftaten gegen LGBTIQ*-Menschen – eine Zunahme von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Queer-Beauftragte sieht die Gesellschaft in der Verantwortung: „Wenn Menschen queeren Personen die Existenz absprechen, muss die Gesellschaft sagen: Stopp, das geht gegen die Werte unserer Demokratie." Diese klare Positionierung ist umso wichtiger, da die Angriffe nicht nur körperlicher Natur sind, sondern auch die Legitimität queerer Identitäten grundsätzlich infrage stellen.

Grundgesetz-Änderung als Schutzschild

Kochs zentrales Anliegen ist die Aufnahme des Schutzes queerer Menschen in Artikel 3 des Grundgesetzes. „Es ist nicht in Ordnung, dass queere Menschen als eine von wenigen Opfergruppen des Nationalsozialismus bis heute nicht in Artikel 3 geschützt sind", betont sie. Diese historische Dimension verleiht ihrer Forderung besondere Dringlichkeit.

Bereits Berlin hat eine entsprechende Initiative im Bundesrat eingebracht, die von Koch unterstützt wird. Die Verfassungsänderung würde einen stärkeren rechtlichen Schutz gewährleisten und ein klares Signal gegen Diskriminierung senden.

Internationale Warnsignale

Mit Blick auf die USA unter Trump oder Viktor Orbáns Ungarn warnt Koch vor autoritären Tendenzen: „Gerade mit Blick auf die USA oder Ungarn sehen wir doch, wie schnell autoritäre Kräfte versuchen, unsere Rechte wieder einzuschränken." Diese internationale Perspektive zeigt, dass der Kampf um LGBTQ+-Rechte keineswegs abgeschlossen ist.

Die Entwicklungen in anderen Ländern verdeutlichen, wie wichtig ein starker verfassungsrechtlicher Schutz ist. Während in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bereits Schutz im Arbeitsleben bietet, reicht dies offenbar nicht aus, um die zunehmende Gewalt zu stoppen.

Kulturkampf von rechts

Koch identifiziert klar die Akteure: „Es gebe Kämpfe über Fragen, bei denen ich dachte, die seien schon erledigt. Die werden vor allem von Rechtsaußen geführt." Diese Kämpfe zielen darauf ab, bereits errungene Fortschritte rückgängig zu machen. Die Strategie ist dabei oft subtil: Statt offener Diskriminierung werden scheinbar rationale Argumente vorgeschoben, die jedoch das Ziel haben, queere Menschen zu delegitimieren.

Besonders perfide ist dabei die Instrumentalisierung von Sorgen um Kinder und Jugendliche, um Transphobie zu schĂĽren. Koch beobachtet dies auch in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz, wo mit Desinformationskampagnen gearbeitet wird.

Gesellschaftliche Verantwortung

Die Warnung der Queer-Beauftragten ist auch ein Appell an die Gesellschaft: „Wenn wir den Kulturkampf nicht beenden, werden wir erleben, dass längst Erreichtes wieder rückgängig gemacht wird." Dies betrifft nicht nur die LGBTQ+-Community, sondern die demokratische Gesellschaft als Ganzes.

Der Aktionsplan „Queer leben" der Bundesregierung zeigt bereits Wirkung bei der Unterstützung von Gewaltopfern und der Verbesserung statistischer Erfassung. Doch ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt und klare rechtliche Rahmen reichen diese Maßnahmen nicht aus.

Sophie Kochs Warnung ist ein Weckruf: Die Demokratie muss ihre Werte aktiv verteidigen. Die Aufnahme des Schutzes queerer Menschen ins Grundgesetz wäre ein wichtiger Schritt – aber letztendlich entscheidet die Gesellschaft täglich neu, welche Werte sie leben will.

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