In einer wegweisenden Entscheidung hat die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) am Donnerstag in Augsburg mit großer Mehrheit beschlossen, künftig auch queeren Menschen eine kirchliche Trauung zu ermöglichen. Wie queer.de berichtet, wird damit die bisher geltende Unterscheidung zwischen "Trauung" für heterosexuelle Paare und "Segnung" für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben.
Ein längst überfälliger Schritt zur Gleichstellung
Mit diesem Beschluss passt die ELKB ihre kirchliche Praxis an die staatlichen Regelungen an, die seit 2017 die "Ehe für alle" in Deutschland ermöglichen. Der Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung wird künftig für alle Paare einheitlich als "Trauung" bezeichnet. Die Entscheidung folgt einer Empfehlung der Arbeitsgruppe "Queer", die seit Herbst 2023 intensiv an der Aufarbeitung des Umgangs der Kirche mit queeren Menschen gearbeitet hatte.
Die Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, die "Diskriminierung queer lebender Personen in der Vergangenheit" aufzuarbeiten, für die Gegenwart zu analysieren und Maßnahmen zu entwickeln, wie solche Diskriminierungen auf rechtlichen und strukturellen Ebenen in Zukunft reduziert werden können. Voraussetzung für die kirchliche Trauung ist, wie SCHWULISSIMO.de berichtet, eine bereits vollzogene standesamtliche Eheschließung oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft.
Anerkennung von Schuld und Bitte um Vergebung
Besonders bemerkenswert war das deutliche Schuldeingeständnis der Kirche. Bereits am Mittwochabend hatte Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel zu einer Schweigeminute aufgerufen, um des Leids zu gedenken, das queere Menschen in der Kirche erfahren haben. In ihrer bewegenden Ansprache benannte sie konkret die verschiedenen Formen der Diskriminierung, die queere Menschen in der Kirche erlitten haben:
"Dienstliche Ungleichbehandlungen, Behinderung von Karrieren, Durchgriff ins Privatleben mit Zwangsfolgen für die Lebensläufe und die Aufforderung zum Leben in Doppelmoral haben zwar der damals geltenden Rechtslage nicht widersprochen, waren und sind jedoch unangemessen, ungerechtfertigt und diskriminierend", erklärte Preidel. Sie fügte hinzu: "Einzelne Verantwortliche und die Kirche als Ganze sind an betroffenen Personen schuldig geworden."
Gewissensschutz bleibt bestehen
Ein wichtiger Aspekt der neuen Regelung ist, dass Pfarrerinnen und Pfarrer weiterhin unter dem Schutz der Gewissensfreiheit stehen. Dies bedeutet, dass keine Pfarrperson zur Trauung queerer Paare gezwungen werden kann, wie evangelisch.de erläutert. Allerdings sind diese Geistlichen dann verpflichtet, den Paaren Alternativen innerhalb der Landeskirche aufzuzeigen, um einen Traugottesdienst zu feiern.
Positive Reaktionen aus der queeren Community
Die Evangelische Jugend in Bayern zeigte sich erfreut über die Beschlüsse der Synode. Der Vorsitzende Malte Scholz teilte mit, dass mit der Trauung für alle, der Aufarbeitung von Diskriminierung und Schuld sowie einem ebenfalls angestoßenen queeren Aktionsplan die Landeskirche einen wichtigen Schritt in Richtung einer Kirche geht, "die Vielfalt nicht nur anerkennt, sondern aktiv lebt und schützt".
Bernhard Offenberger, Vertreter des lesbisch-schwulen Konvents Bayern, betonte laut epd die Bedeutung des Schuldeingeständnisses: "Es ist wichtig, dass Schuld benannt worden ist, damit die Heilung von Verletzungen beginnen kann."
Kritische Stimmen aus konservativen Kreisen
Wie zu erwarten, gab es auch kritische Reaktionen auf die Entscheidung. Der konservative Arbeitskreis ABC warnte laut Bayerischem Rundfunk vor einer "weiteren Provinzialisierung und ökumenischen Isolierung", da Partnerkirchen in anderen Ländern gleichgeschlechtliche Trauungen ablehnen. Diese Bedenken konnten jedoch die große Mehrheit der Synodalen nicht überzeugen.
Teil einer größeren Entwicklung in Deutschland
Die Entscheidung der bayerischen Landeskirche reiht sich in eine zunehmende Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Trauungen in den evangelischen Landeskirchen Deutschlands ein. Bereits 2018 hatte die Landessynode der ELKB die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt. Mit der jetzigen Entscheidung geht Bayern einen Schritt weiter und hebt die begriffliche und inhaltliche Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der kirchlichen Eheschließung auf.
Der Beschluss der bayerischen Landessynode zeigt, dass auch traditionell konservativere Landeskirchen einen Weg finden, theologische Überzeugungen mit der gesellschaftlichen Realität in Einklang zu bringen und queeren Menschen in ihrer Mitte vollständige Anerkennung zu gewähren. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern setzt damit ein wichtiges Zeichen für Inklusion und gegen Diskriminierung innerhalb der christlichen Gemeinschaft.