Grundrechte unter Beschuss: CSD Schönebeck vorzeitig aufgelöst – Ein Warnsignal für die queere Community

Am vergangenen Samstag erlebte die queere Community in Schönebeck einen beunruhigenden Eingriff in ihre Grundrechte: Der Christopher Street Day (CSD) wurde vorzeitig durch behördliche Anordnung beendet, wie queer.de berichtet. Die Veranstalter*innen sprechen von "Schikane und Willkür" und haben mittlerweile rechtliche Schritte eingeleitet. Dieser Vorfall wirft ernste Fragen zur Versammlungsfreiheit und zum Schutz queerer Veranstaltungen in Deutschland auf.

Chronologie eines umstrittenen Behördeneingriffs

Der CSD Schönebeck sollte eigentlich bis 22 Uhr dauern, wurde jedoch bereits zwischen 18 und 20 Uhr durch Polizei und Ordnungsamt aufgelöst. Als offizielle Begründung wurden zunächst Unstimmigkeiten mit dem Sicherheitspersonal angeführt. Laut MDR-Berichten hätten die Behörden hauptamtliche Sicherheitskräfte für einen Bereich mit Imbissbuden der Freiwilligen Feuerwehr verlangt – die Veranstalter*innen konnten jedoch nur ehrenamtliche Helfer*innen stellen.

Die Organisator*innen berichten jedoch von weiteren problematischen Details: So sei ihnen vom Ordnungsamt vorgeworfen worden, dass eine Rede "nicht politisch genug" gewesen sei und ein Liebeslied gespielt wurde. Der Veranstalter Falko Jentsch wurde laut eigener Aussage vom Ordnungsamt ermahnt: "Herr Jentsch, achten Sie auf ihren politischen Inhalt." Er beklagte gegenüber Queer4Mat: "Es wird nach den kleinsten Dingen gesucht, es irgendwie zu verhindern."

Ein verfassungsrechtlicher Skandal?

Der Vorfall hat in der queeren Community und bei Jurist*innen für Empörung gesorgt. Rechtsexpert*innen sehen hier einen klaren Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Die vorzeitige Auflösung eines angemeldeten CSD ohne konkrete Gefährdungslage stellt einen schwerwiegenden Eingriff in verfassungsmäßig garantierte Grundrechte dar.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft SPDqueer hat in einer Stellungnahme am Montag betont: "Die vorzeitige Auflösung eines CSD durch Polizei und Ordnungsbehörden stellt einen gravierenden Eingriff dar, der queere Menschen massiv verunsichert und alte Ängste wachruft." Auch die Linke queer bezeichnet den Vorfall als "vollkommen inakzeptablen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte" und fordert personelle Konsequenzen im Ordnungsamt Schönebeck.

Ähnliche Vorfälle in Deutschland

Leider steht der Vorfall in Schönebeck nicht isoliert da. In den vergangenen Jahren haben sich die Angriffe auf queere Veranstaltungen in Deutschland gehäuft. In verschiedenen Bundesländern mussten Pride-Veranstaltungen verstärkt Polizeischutz anfordern, nachdem es zu Bedrohungen und tätlichen Angriffen gekommen war. Der Anstieg queerfeindlicher Gewalt ist dabei eng mit dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte verbunden, die LGBTQ+-Rechte offen infrage stellen.

Besonders besorgniserregend ist, dass solche behördlichen Eingriffe in Nachbarländern wie Ungarn bereits zum System geworden sind. Dort hatte die Regierung erst im vergangenen Monat mehrere CSD-Veranstaltungen komplett verboten – ein Umstand, der in den sozialen Medien zu besorgten Vergleichen führte. Ein Nutzer kommentierte den Vorfall in Schönebeck mit den Worten: "Ungarn kommt nach Sachsen-Anhalt."

Kampf um Aufklärung und rechtliche Konsequenzen

Die Veranstalter*innen des CSD Schönebeck lassen sich nicht einschüchtern. Am Montagmorgen teilten sie auf Instagram mit, dass sie beim Landrat offiziell die "Herausgabe der relevanten Bescheide" beantragt haben. Bislang lägen ihnen "lediglich zwei Protokolle aus Kooperationsgesprächen sowie einige E-Mails vor – konkrete Genehmigungen oder Auflagen fehlen bislang."

In ihrer Stellungnahme betonen sie: "Eine friedliche Demo für Liebe und Vielfalt wurde von Behörden unterdrückt – ohne Vorwarnung, ohne Respekt für unsere Grundrechte. Wir wollten feiern, sichtbar sein, füreinander da sein – und wurden stattdessen mit Schikane und Willkür konfrontiert. Unsere Versammlungsfreiheit wurde mit Füßen getreten. Unsere Stimmen wurden ignoriert." Dennoch wollen sie weiterkämpfen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Der Fall Schönebeck zeigt exemplarisch, wie fragil die Errungenschaften der LGBTQ+-Bewegung sein können und wie wichtig die konsequente Verteidigung von Grundrechten ist. Die SPDqueer fordert daher "eine offene Aufarbeitung durch Veranstalter*innen, Polizei und Behörden" und stellt die zentrale Frage, "wie CSDs auch in Zukunft sicher und ungestört stattfinden können."

Für die queere Community in Deutschland ist der Vorfall ein Weckruf: Die Versammlungsfreiheit und das Recht auf öffentliche Sichtbarkeit müssen aktiv verteidigt werden. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene wie die Organisator*innen des CSD Schönebeck rechtliche Schritte einleiten und öffentlich Widerspruch einlegen.

Mit Spannung wird nun die juristische Aufarbeitung des Falls beobachtet. Sollten Gerichte feststellen, dass die Behörden rechtswidrig gehandelt haben, könnte dies ein wichtiges Signal für die Stärkung der Rechte aller Demonstrierenden sein – und ein klares Zeichen, dass der Staat seine Schutzpflicht für Minderheiten ernst nehmen muss.

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