Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Wichtiges Urteil zum Schutz von LGBT-Aktivisten vor Hassrede in Armenien

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem wegweisenden Urteil vom 7. Januar 2025 entschieden, dass die armenischen Behörden die Rechte von LGBT-Aktivisten nicht ausreichend geschützt haben. Das Gericht stellte Verstöße gegen Artikel 8 (Recht auf Privatleben und Ruf) und Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fest.

Der Fall Minasyan und andere gegen Armenien

Der Fall betrifft mehrere Aktivisten für LGBT-Rechte, die durch beleidigende und diskriminierende Medienartikel angegriffen wurden. Insbesondere ein am 17. Mai 2014 auf der Website der Zeitung "Iravunk" veröffentlichter Artikel stand im Mittelpunkt des Verfahrens. Die Kläger argumentierten, dass der Artikel ihnen psychischen Schaden zugefügt und ihre moralische Integrität verletzt habe.

Die Antragsteller machten geltend, dass sie Opfer von Hassrede und Diskriminierung geworden seien, wobei die Angriffe nicht nur durch ihren Aktivismus, sondern auch durch ihre vermeintliche sexuelle Orientierung und ihre Verbindung zur LGBT-Community motiviert waren. Die armenischen Gerichte hatten weder die Zeitung noch ihren Chefredakteur für die Veröffentlichung des umstrittenen Artikels sanktioniert.

Die Entscheidung des EGMR

Der EGMR stellte fest, dass der Artikel vom 17. Mai 2014 von Feindseligkeit gegenüber LGBT-Personen motiviert war und die Antragsteller wegen ihres Einsatzes für LGBT-Rechte angriff. Der Artikel verwendete stigmatisierende Bezeichnungen wie "Homosexuellen-Lobbyisten" und "schwulenkampagnenunterstützende Zombies", brandmarkte die Antragsteller als "innere Feinde der Nation und des Staates" und forderte, dass sie auf schwarze Listen gesetzt und diskriminiert werden sollten.

Nach Ansicht des Gerichtshofs beeinträchtigten solche Äußerungen das psychische Wohlbefinden, die Würde und den Ruf der Antragsteller und verletzten ernsthaft ihre durch Artikel 8 EMRK garantierten Rechte. Der Autor des Artikels forderte die Öffentlichkeit ausdrücklich zu Intoleranz und diskriminierenden Handlungen gegen die Antragsteller auf, auch in ihrem persönlichen und beruflichen Leben.

Versagen der nationalen Gerichte beim Schutz vor Hassrede

Der EGMR kritisierte, dass die armenischen Gerichte dem Recht des Autors auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 EMRK volles Gewicht beimaßen, während sie den Auswirkungen seiner Aussagen auf das Privatleben der Antragsteller kaum Bedeutung zumaßen. Die nationalen Gerichte erkannten den feindseligen Ton und die Absichten des Autors nicht an und unterschätzten die Auswirkungen seiner Äußerungen auf die Rechte der Antragsteller.

Der EGMR lehnte es ab, einen Artikel, der Hass, Feindseligkeit und Diskriminierung gegen eine Minderheit propagiert, als Beispiel für verantwortungsvollen Journalismus zu akzeptieren. Die LGBT-Gemeinschaft war zu dieser Zeit eines der Hauptziele von weit verbreiteter Feindseligkeit, Hassrede und hassmotivierter Gewalt in Armenien.

Indem die nationalen Gerichte den diskriminierenden Charakter der beanstandeten Äußerungen nicht angemessen behandelten, kamen sie ihrer positiven Verpflichtung nicht nach, angemessen auf die mutmaßliche Diskriminierung der Antragsteller aufgrund ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung und ihrer Verbindung zur LGBT-Gemeinschaft zu reagieren.

Forderungen der Antragsteller und die Antwort des EGMR

Die Antragsteller hatten den EGMR gebeten, die armenische Regierung anzuweisen, Gesetze gegen Hassrede und Diskriminierung einzuführen und zivil-, verwaltungs- und strafrechtliche Verantwortlichkeiten für solche Handlungen zu definieren. Der EGMR überließ es jedoch der armenischen Regierung, die Mittel zu wählen, um ihrer rechtlichen Verpflichtung gemäß Artikel 46 EMRK nachzukommen und einen wirksamen Rechtsrahmen in Theorie und Praxis umzusetzen.

Der Gerichtshof erklärte, dass seine Urteile im Wesentlichen deklaratorischer Natur sind und dass es in erster Linie Sache des betroffenen Staates ist, die Mittel zu wählen, die er in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung einsetzen will, um seiner rechtlichen Verpflichtung nach Artikel 46 der Konvention nachzukommen.

Bedeutung des Urteils für den Schutz von LGBT-Rechten

Dieses Urteil unterstreicht die Verpflichtung der Vertragsstaaten der EMRK, Diskriminierung, einschließlich solcher aufgrund der sexuellen Orientierung, zu bekämpfen. Es stellt einen wichtigen Präzedenzfall für den Schutz von LGBT-Aktivisten vor Hassrede und diskriminierenden Äußerungen dar und betont die Notwendigkeit eines angemessenen Gleichgewichts zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz der Privatsphäre und Würde von Minderheiten.

Das Urteil sendet ein klares Signal an alle Mitgliedstaaten des Europarats, dass sie verpflichtet sind, wirksame rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um LGBT-Personen vor Hassrede und Diskriminierung zu schützen.

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