Anklage nach vereiteltem Anschlagsplan auf Vienna Pride: Parallelen und Sicherheitsbedenken bei deutschen Pride-Veranstaltungen

Knapp zwei Jahre nach ihrer Festnahme wurden drei Personen, darunter zwei Jugendliche, wegen geplanter Anschläge auf den Vienna Pride 2023 angeklagt. Wie queer.de berichtet, wurden die damals 14- und 17-jährigen Jugendlichen sowie ein 20-Jähriger unmittelbar vor der Demonstration festgenommen, nachdem sie in Telegram-Chats über mögliche Angriffe mit Messern oder Fahrzeugen diskutiert hatten.

Die Anklage und ihre Hintergründe

Laut der 35-seitigen Anklageschrift, die der Wiener Tageszeitung "Die Presse" vorliegt, werden die drei Personen nun der Mitgliedschaft in einer terroristischen und kriminellen Vereinigung beschuldigt. Dem jüngsten Angeklagten wird zusätzlich die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat vorgeworfen, da er Bombenbauanleitungen verbreitet hatte. Die zwei Brüder aus St. Pölten und der Jugendliche aus Wien sollen sich dem afghanischen Ableger des IS angeschlossen haben und waren in islamistischen Telegram-Gruppen aktiv.

Besonders beunruhigend ist die Art der Radikalisierung: Anders als bei früheren Fällen wurden die Verdächtigen nicht durch lokale islamistische Netzwerke radikalisiert, sondern hauptsächlich über soziale Medien wie TikTok durch islamistische Prediger. Dieses Phänomen der Online-Radikalisierung stellt Sicherheitsbehörden in Deutschland und Österreich vor neue Herausforderungen.

Parallelen in Deutschland

In Deutschland beobachten Sicherheitsbehörden ähnliche Entwicklungen. Die Berichte des Bundesamts für Verfassungsschutz zeigen, dass auch hier die Online-Radikalisierung durch islamistische Inhalte auf sozialen Medien zunimmt. Nach den Anschlagsplänen auf die Vienna Pride wurden die Sicherheitsmaßnahmen für Pride-Veranstaltungen in Deutschland deutlich verstärkt.

Der CSD Berlin, Deutschlands größte Pride-Veranstaltung, reagierte unmittelbar nach Bekanntwerden der Festnahmen in Wien mit zusätzlichen Sicherheitskonzepten. "Wir stehen in ständigem Austausch mit den Sicherheitsbehörden", erklärte damals ein Sprecher des Berliner CSD gegenüber queer.de. Auch in anderen deutschen Städten wurden die Sicherheitsmaßnahmen bei Pride-Veranstaltungen erhöht.

Die Rolle sozialer Medien bei der Radikalisierung

Der Fall der drei Angeklagten in Wien verdeutlicht, wie soziale Medien zunehmend als Werkzeug für die Radikalisierung junger Menschen dienen. Die Verdächtigen nutzten nicht nur Telegram, sondern auch WhatsApp, TikTok, Snapchat, Threema, PlayStation und Discord, um extremistische Inhalte zu verbreiten und andere zu beeinflussen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung warnt bereits seit längerem vor dieser Form der Radikalisierung und bietet Materialien für Eltern, Lehrer und Jugendarbeiter an, um frühzeitig Anzeichen zu erkennen. Experten betonen, dass besonders die Algorithmen von TikTok und YouTube problematisch sein können, da sie Nutzern immer extremere Inhalte anzeigen, sobald ein gewisses Interesse erkannt wird.

Deradikalisierungsprogramme als Lösungsansatz

Seit fast zwei Jahren befinden sich die drei Angeklagten in einem Deradikalisierungsprogramm und sind auf Bewährung frei. In Deutschland gibt es ähnliche Programme wie Violence Prevention Network, die speziell auf die Deradikalisierung junger Menschen ausgerichtet sind, die mit extremistischen Ideologien sympathisieren.

Diese Programme setzen auf einen kombinierten Ansatz aus politischer Bildung, psychologischer Betreuung und religiöser Aufklärung. Die Erfolgsraten solcher Programme sind jedoch umstritten und schwer zu messen. Kritiker fordern eine engere wissenschaftliche Begleitung und Evaluation.

Folgen für die LGBTQ+-Community

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland und Österreich bedeuten solche Bedrohungen eine zusätzliche Belastung. Die Statistiken des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) zeigen eine Zunahme von Hassverbrechen gegen LGBTQ+-Personen in den letzten Jahren. Die Bedrohung durch religiös motivierten Extremismus kommt zu einer ohnehin angespannten Sicherheitslage hinzu.

Trotz dieser Bedrohungen betonen Organisatoren von Pride-Veranstaltungen die Wichtigkeit, öffentlich sichtbar zu bleiben. "Sich zurückzuziehen wäre genau das, was die Extremisten wollen", erklärt Alfonso Pantisano, Vorstandsmitglied im Berliner CSD e.V. "Wir werden weiterhin für unsere Rechte und unsere Sichtbarkeit einstehen – mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen."

Sollten die Angeklagten in Wien schuldig gesprochen werden, drohen dem Ältesten bis zu zehn Jahre Haft, den beiden jüngeren bis zu fünf Jahre. Der Prozess wird von Sicherheitsexperten und LGBTQ+-Organisationen in Deutschland aufmerksam verfolgt, da er Aufschluss über die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen und die Entwicklung extremistischer Bedrohungen gegen die Community geben könnte.

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