Alarmsignal für Deutschland: EU verfehlt wichtige Ziele im Kampf gegen HIV und Hepatitis

Hepatitis, HIV, Tuberkulose und andere sexuell übertragbare Infektionen stellen weiterhin eine massive gesundheitliche Herausforderung für Europa dar, wie ein aktueller Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigt. Diese vermeidbaren Krankheiten verursachen jährlich fast 57.000 Todesfälle in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum – auch in Deutschland ist die Situation besorgniserregend.

Deutschlands besondere Herausforderungen

Während Deutschland bei der Erkennung von Tuberkulose überdurchschnittlich gut abschneidet, zeigt eine aktuelle Studie zur "BIS 2030"-Strategie der Bundesregierung erhebliche Defizite. Bei HIV wurden die behandlungsbezogenen Ziele zwar bereits erreicht, doch bei der Reduktion von Neuinfektionen gibt es weiterhin große Lücken. Besonders kritisch ist die Situation bei Hepatitis C, wo Deutschland die gesteckten Ziele deutlich verfehlt, wie Analysen von Gesundheitsexperten zeigen.

Beunruhigender Anstieg von STIs

Besonders alarmierend ist die Entwicklung bei sexuell übertragbaren Infektionen (STIs). Während genaue europaweite Inzidenzzahlen fehlen, steigen die Diagnosen von Gonorrhö, Syphilis und akuter Hepatitis B in vielen EU-Ländern rapide an. Die Anzahl der neu gemeldeten Gonorrhö-Fälle ist laut ECDC so hoch wie seit 2009 nicht mehr. Diese Entwicklung trifft auch die LGBTQ+-Community in Deutschland besonders hart, da sie zu den Risikogruppen für diese Infektionen zählt.

PrEP: Schutz vor HIV, aber neue Risiken?

Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) hat sich als wirksame Methode zum Schutz vor HIV-Infektionen etabliert und wird in Deutschland für Menschen mit erhöhtem Risiko von den Krankenkassen übernommen. Doch mehrere Studien deuten auf einen problematischen Nebeneffekt hin: Bei PrEP-Anwendern werden häufiger andere sexuell übertragbare Krankheiten diagnostiziert, wie die Pharmazeutische Zeitung berichtet. Experten vermuten, dass die HIV-Schutzwirkung zu einem selteneren Gebrauch von Kondomen führen könnte.

Innovative Lösungsansätze

In der Community wird bereits nach neuen Schutzmaßnahmen gesucht. Die Deutsche Aidshilfe und regionale LGBTQ+-Gesundheitsorganisationen diskutieren den Einsatz von Doxycyclin als Post- oder Präexpositionsprophylaxe gegen Syphilis und Chlamydien. Diese Methode, in Fachkreisen als "Doxi-PEP" bezeichnet, könnte besonders für Männer, die Sex mit Männern haben, einen zusätzlichen Schutz bieten – bisher gibt es jedoch keine offizielle Zulassung dafür.

ECDC warnt: Nur noch fünf Jahre bis zum UN-Zieldatum

ECDC-Direktorin Pamela Rendi-Wagner mahnt: "Diese Krankheiten sind vermeidbar, ebenso wie die Belastungen, die sie für das Gesundheitswesen, die Patienten und ihre Familien darstellen. Wir haben fünf Jahre, um zu handeln; wir müssen sie nutzen." Die meisten europäischen Länder laufen Gefahr, die UN-Nachhaltigkeitsziele für 2030 zu verfehlen, die eine Beseitigung der Aids- und TB-Epidemien sowie die Bekämpfung der Virushepatitis anstreben.

Was können Betroffene tun?

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland bleiben regelmäßige Tests, konsequenter Kondomgebrauch auch unter PrEP-Anwendung und eine offene Kommunikation mit Partnern die wichtigsten Schutzmaßnahmen. Die Bundesregierung und Gesundheitsorganisationen bieten umfassende Informationen zu Schutzmöglichkeiten und Behandlungsoptionen. Insbesondere die kostenlosen und anonymen Testangebote der lokalen Aidshilfen sollten regelmäßig genutzt werden.

Der Bericht macht deutlich: Ohne verstärkte Anstrengungen in der Prävention, Testung und Behandlung von HIV, Hepatitis und anderen STIs wird Deutschland gemeinsam mit Europa die gesetzten Gesundheitsziele verfehlen – mit schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Communities und das Gesundheitssystem.

Retour au blog