16 Meilensteine für mehr Gleichberechtigung: Wie der Bundesverband für tina* Menschen die Rechte von trans*, inter* und nicht-binären Personen stärken will

Der Bundesverband für trans*-, inter*geschlechtliche, nicht-binäre und agender (tina*) Menschen hat einen umfassenden Forderungskatalog mit 16 konkreten Anforderungen an die Politik veröffentlicht. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Menschenrechte marginalisierter Geschlechtsidentitäten zu schützen und den queerpolitischen Reformstau in Deutschland aufzulösen - besonders in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Gegenwind stärker wird.

Die 16 zentralen Forderungen im Überblick

Der Bundesverband formuliert folgende konkrete Anforderungen an die Politik:

Der Kampf gegen die Welle der Queerfeindlichkeit

Die Veröffentlichung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem rechte Kräfte in Deutschland und international zunehmend gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt mobilisieren. Das erst kürzlich eingeführte Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) steht dabei besonders im Fokus von Kritikern. Der Verband kritisiert, dass der Diskurs durch "Hasskampagnen und Desinformation vergiftet" wird und warnt vor Forderungen nach Verboten von geschlechterinklusiver Sprache, medizinischer Versorgung für trans* Personen oder gar der "Ehe für Alle".

"Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Demokratie, für Vielfalt und Menschenrechte, um gemeinsam gegen Hass und Diskriminierung zu kämpfen", heißt es in dem Positionspapier. Besonders besorgniserregend ist der Trend auch im internationalen Vergleich: In anderen europäischen Ländern wie Ungarn und Russland wurden in den letzten Jahren LGBTQ+-Rechte massiv eingeschränkt, während US-Bundesstaaten wie Florida mit dem sogenannten "Don't Say Gay"-Gesetz Bildung zu queeren Themen einschränken.

Verfassungsrechtlicher Schutz und gesetzliche Reformen

Ein Kernpunkt der Forderungen ist die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um die Merkmale "geschlechtliche Identität" und "sexuelle Identität". Der Verband argumentiert, dass das Grundgesetz queere Menschen historisch nicht ausreichend vor Verfolgung und Diskriminierung geschützt hat - sei es durch den berüchtigten §175 StGB, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, oder durch das als diskriminierend kritisierte Transsexuellengesetz (TSG).

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2017 geurteilt, dass Artikel 3 (1) insbesondere auch nicht-binäre Menschen schützt, den Schutz der geschlechtlichen Identität in einem weiteren Beschluss aber wieder relativiert. "Dieser Schutz muss sich angesichts der bestehenden Diskriminierungen und der immer stärker werdenden Gewalt gegen tin*Personen im Gesetzestext eindeutig widerspiegeln", fordert der Verband.

Reform des AGG und Ausbau der Antidiskriminierungsstelle

Bei der geforderten Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geht es um die Ergänzung um staatliche Bildung, Verwaltung und Justiz als Anwendungsgebiete sowie um das persönliche Merkmal "geschlechtliche Identität". Zudem fordert der Verband, dass es "keine Sonderstellung religiöser Einrichtungen bei Personen, die nicht unmittelbar im Verkündigungsdienst tätig sind" geben darf.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wird als "zu schwach" kritisiert, da sie überwiegend informierend und beratend tätig ist, aber kaum Befugnisse hat. Der Verband fordert, dass die ADS als oberste Bundesbehörde strukturiert, mit mehr Personal und Mitteln ausgestattet und mit weitreichenderen Kompetenzen wie einem eigenen Klagerecht versehen wird.

Asylrecht und internationale Verantwortung

Besonders brisant ist die Forderung, queerfeindliche Länder nicht als "sichere Herkunftsländer" einzustufen. Der Verband nennt Russland, Ungarn, Georgien, Ghana, Uganda und überraschenderweise auch die USA als Länder, die "queeren Menschen, insbesondere tina* Personen systematisch per Gesetz ihre Rechte wegnehmen und/oder kriminalisieren".

Für Geflüchtete fordert der Verband einen ungehinderten Zugang zu medizinischen Maßnahmen: "Eine bereits im Herkunftsland begonnene Hormontherapie bei trans* Geflüchteten muss ohne Unterbrechung fortgesetzt werden können", heißt es im Forderungskatalog. Zudem sollen Ausnahmen bei der Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes (MDS) berücksichtigt werden, wenn Therapienachweise aufgrund einer Flucht nicht beigebracht werden können.

Familienrecht und reproduktive Selbstbestimmung

Im Bereich des Familienrechts kritisiert der Verband den "Reformstau" beim Abstammungsrecht. Ein fertiges Gesetz liege "bereits in den Schubladen", nun müsse die Übergangslösung aus dem SBGG durch ein modernes Abstammungsrecht ersetzt werden. Konkret geht es um eine Novellierung der §§ 1591 und 1592 BGB hinsichtlich der Berücksichtigung aller möglichen Personenstände sowie um eine Regelung zur nachträglichen Berichtigung von Urkunden.

Bei der Legalisierung der Eizellspende argumentiert der Verband, dass auch trans* Männer schwanger werden können und manche biologisch am gemeinsamen Kind mit ihrer Partnerin beteiligt sein möchten - sei es durch eine Eizellspende der Partnerin oder durch die sogenannte ROPA-Methode, bei der sie selbst das Kind austragen und eine Eizelle der Partnerin nutzen. Beides ist bisher in Deutschland verboten.

Gesundheitsversorgung und Entschädigung

Die Forderungen zur Gesundheitsversorgung umfassen die Verankerung des Anspruchs auf selbstbestimmte geschlechtsangleichende Maßnahmen im SGB V, die Sicherstellung der Verfügbarkeit solcher Leistungen in einem Umkreis von höchstens 25 km sowie die Inkraftsetzung der Diagnoseschlüssel der WHO ICD 11 zum 1.1.2026.

Besonders wichtig ist dem Verband die Anerkennung von Indikationen aus dem Ausland: "Trans* Studierende, die zu einem Auslandssemester aus den USA oder Europa nach Deutschland kommen, müssen ihre Therapie unterbrechen und sich erst eine neue Indikation besorgen", kritisiert er. Sein Vorschlag: Eine deutschsprachige Übersetzung oder eine in deutscher Sprache verfasste Indikation sollte ausreichen, wenn daraus auch die Qualifikation der Behandelnden hervorgeht.

Bei der Entschädigung geht es um Personen, die nach der Geburt genitalverändernden Operationen unterzogen wurden, die durch das TSG §8 Abs. 1 (3) zu körperverändernden Eingriffen genötigt wurden, die zur Auflösung ihrer Ehe gezwungen wurden oder die staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Für Überlebende von Konversionsmaßnahmen fordert der Verband einen Ausgleichsfonds analog zum "Fonds Sexueller Missbrauch".

Schutz von inter* Kindern und Verbot von Konversionsbehandlungen

Beim OP-Verbot für inter*geschlechtliche Kinder kritisiert der Verband, dass der §1631e BGB zu viele Ausnahmen zulässt, die an die Diagnose "Varianten der Geschlechtsentwicklung" gekoppelt sind. Wenn es keine eindeutig beschriebene Diagnose gibt, sei das Verbot unwirksam. Zudem fordert er den "Ausschluss der Abtreibung intergeschlechtlicher Föten allein aus dem Grund der Intergeschlechtlichkeit".

Beim Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen fordert der Verband, den Begriff "Behandlung" durch "Maßnahme" zu ersetzen, um eine Umgehung des Verbots zu verhindern. Das Durchführungsverbot solle auch für Personen ab 18 Jahren gelten, und die Ausnahme für Fürsorge- und Erziehungsberechtigte müsse gestrichen werden. Zudem müsse bei einem Verstoß gegen das Gesetz die Aberkennung der Gemeinnützigkeit möglich sein.

Strafrechtlicher Schutz und Fazit

Die letzte Forderung betrifft die Ergänzung des §192a StGB (verhetzende Beleidigung) um den Schutz der geschlechtlichen Identität. Derzeit enthält der Paragraph kein Merkmal, das verhetzende Beleidigungen gegen die erklärte Geschlechtszugehörigkeit strafbar macht. Als Beispiele nennt der Verband das "Framing" einzelner trans* Personen mit Sexualstraftäter*innen, ihre Darstellung als Bedrohung oder das bewusste Absprechen ihrer geschlechtlichen Identität.

Der umfassende Forderungskatalog zeigt das breite Spektrum an Herausforderungen, mit denen trans*, inter*, nicht-binäre und agender Personen in Deutschland konfrontiert sind. In einer Zeit, in der Diskriminierungserfahrungen in diesen Gruppen weit verbreitet sind, verdeutlicht er, dass trotz einiger Fortschritte noch viel zu tun bleibt, um echte Gleichstellung zu erreichen und die Menschenrechte aller Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität zu schützen.

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