Steinmeier warnt vor gesellschaftlichem Rollback bei LGBTI-Akzeptanz und zunehmender Hasskriminalität

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der gesellschaftlichen Akzeptanz von queeren Menschen vor besorgniserregenden Rückschritten gewarnt. Bei einem Empfang im Schloss Bellevue anlässlich des 35. Gründungsjubiläums des LSVD+ – Verband Queere Vielfalt bezeichnete er die Situation für LGBTI-Personen in Deutschland als "sehr ambivalent", wie queer.de berichtet.

Steinmeier betonte, dass die deutsche Gesellschaft einerseits aufgeklärter und toleranter geworden sei. Eine Mehrheit befürworte inzwischen gleiche Rechte wie die Ehe für alle oder gleiche Adoptionsrechte. Gleichzeitig warnte der Bundespräsident jedoch eindringlich: "Ich sehe mit Sorge die Gefahr eines gesellschaftlichen Rollback – in Deutschland und weltweit."

Zunehmende Hasskriminalität gegen queere Menschen

Aktuelle Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) bestätigen Steinmeiers Sorge. Im Jahr 2023 wurden 1.785 Straftaten erfasst, die sich gegen LGBTIQ*-Personen richteten – ein alarmierender Anstieg von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zu den häufigsten Delikten zählen Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen, Nötigungen und Bedrohungen, wie der Tagesspiegel berichtet.

"Die Stimmen gegen die queere Gemeinschaft werden lauter und darunter sind mächtige Stimmen," warnte Steinmeier in seiner Rede. Als Beleg nannte er die Zunahme homo- und transfeindlicher Hasskriminalität sowie die Tatsache, dass die Polizei im vergangenen Jahr viele Christopher-Street-Day-Paraden schützen musste, weil Teilnehmende von Neonazis bedroht wurden.

Gefahr der rechtlichen Rückschritte

Der Bundespräsident verwies explizit auf die USA unter Donald Trump als mahnendes Beispiel. Die Anerkennung von nur noch zwei Geschlechtern, der geplante Ausschluss von trans Menschen aus der Armee und die Einstellung von Diversitätsprogrammen zeigten, dass in den USA eine "selbsternannte Elite die Zeit zurückdrehen" wolle.

Solche Tendenzen dürften nicht hingenommen werden, mahnte Steinmeier. Toleranz und Respekt seien keine Selbstverständlichkeit, sondern müssten aktiv verteidigt werden, um Rückschritte zu verhindern.

LSVD+ feiert 35-jähriges Jubiläum

Anlässlich des Jubiläums hatte Steinmeier 180 Mitglieder des LSVD+ zu einem Empfang ins Schloss Bellevue eingeladen. Der LSVD wurde 1990 gegründet und hat sich im März 2024 in "LSVD+ – Verband Queere Vielfalt" umbenannt, um die Vielfalt der Community besser widerzuspiegeln. Der Verband setzt sich seit 35 Jahren für die Gleichberechtigung und Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen ein.

Ursprünglich war der Empfang bereits für das Jubiläumsjahr 2020 geplant, musste aber aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. Bundespräsident Steinmeier hat sich in der Vergangenheit mehrfach für die Belange von LGBTQ-Personen eingesetzt und staatliches Unrecht anerkannt.

Ambivalente Akzeptanz in der Bevölkerung

Studien belegen Steinmeiers Einschätzung einer ambivalenten Situation: Obwohl eine Mehrheit der Deutschen die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren befürwortet, ist die Akzeptanz für die Ehe für alle und Regenbogenfamilien seit 2021 gesunken, wie aus verschiedenen Umfragen hervorgeht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat angesichts der steigenden Zahlen queerfeindlicher Straftaten mehr Unterstützung für Betroffene gefordert und eine konsequente Verfolgung von Hasskriminalität angekündigt. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer nicht angezeigter Fälle aus.

Steinmeiers Warnung vor einem "gesellschaftlichen Rollback" unterstreicht die Notwendigkeit, die erreichten Fortschritte in der Gleichstellung und gesellschaftlichen Akzeptanz queerer Menschen zu verteidigen – eine Aufgabe, die angesichts der aktuellen Entwicklungen dringlicher denn je erscheint.

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