Neue britische Studie bestätigt: LGBTQ+ Personen haben doppelt so hohes Suizidrisiko – ähnliche Alarmsignale auch in Deutschland

Warnung: Dieser Artikel befasst sich mit Themen wie Selbstverletzung und Suizid, die für manche Leser belastend sein könnten.

Eine neue Studie des britischen Office for National Statistics (ONS) zeigt, dass schwule, lesbische und bisexuelle Menschen doppelt so häufig an Suizid denken oder Suizidversuche unternehmen wie ihre heterosexuellen Mitmenschen. Wie PinkNews berichtet, ist das Risiko für absichtliche Selbstverletzung sogar fast dreimal so hoch. Diese alarmierenden Zahlen spiegeln ähnliche Tendenzen wider, die auch in Deutschland zu beobachten sind.

Die britischen Befunde im Detail

Die am 9. April veröffentlichten Daten des ONS zeigen, dass zwischen 2021 und 2023 etwa 50,3 von 100.000 LGBTQ+ Personen Suizidgedanken hatten oder einen Suizidversuch unternahmen, verglichen mit 23,1 pro 100.000 heterosexuellen Menschen. Bei Selbstverletzungen ist das Verhältnis noch dramatischer: 1.508,9 pro 100.000 LGBTQ+ Personen gegenüber 598,4 bei Heterosexuellen.

Besonders gefährdet sind bisexuelle Menschen, die ein 2,4-mal höheres Risiko für Selbstverletzung aufweisen als heterosexuelle Personen. Bei schwulen Männern und lesbischen Frauen liegt dieses Risiko 2,2-mal höher. Die Studie stellt außerdem fest, dass sowohl bei LGBTQ+ als auch bei heterosexuellen Menschen Frauen häufiger suizidale Gedanken haben als Männer, während junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren generell einem höheren Risiko für Selbstverletzung ausgesetzt sind.

Ähnliche Situation in Deutschland

Die Lage in Deutschland zeigt erschreckende Parallelen. Laut verschiedenen Studien ist das Suizidrisiko bei LGBTQ+ Personen hierzulande sogar bis zu viermal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Untersuchungen zeigen, dass schwule und bisexuelle Männer ein bis zu achtmal höheres Suizidrisiko haben können.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2022 festgestellt, dass LGBTQ+ Menschen fast dreimal häufiger unter Depressionen und Burnout leiden als der Rest der Bevölkerung. Besonders trans* Menschen sind überdurchschnittlich oft von Angststörungen betroffen.

Eine besorgniserregende dänische Studie aus dem Jahr 2023 ergab zudem eine fast 8-fach höhere Rate an Suizidversuchen und eine 3,5-fach höhere Rate an vollendeten Suiziden bei transgender Personen im Vergleich zu cisgender Personen.

Ursachen für die erhöhte Gefährdung

Die Gründe für diese alarmierende Kluft sind vielschichtig, aber Experten identifizieren gesellschaftliche Faktoren als Hauptursachen. Jacqui Morrissey, stellvertretende Direktorin der britischen Suizidpräventionsorganisation Samaritans, betont gegenüber PinkNews: "Dringender Handlungsbedarf besteht im Gesundheitswesen, um die Barrieren abzubauen, denen LGBTQ+ Menschen bei der Suche nach Unterstützung begegnen."

Ein häufiger Faktor ist der sogenannte "Minderheitenstress" – die chronische Belastung, die durch Diskriminierung, Vorurteile und gesellschaftliche Stigmatisierung entsteht. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) weist darauf hin, dass Diskriminierungserfahrungen zu Depressionen, Schlafstörungen und Burnout führen können.

Bei Jugendlichen kommt oft noch Mobbing hinzu, was das Suizidrisiko weiter erhöht. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte eine fünfmal höhere Suizidgefahr bei jungen schwulen und bisexuellen Menschen im Vergleich zu heterosexuellen Jugendlichen.

Persönliches Zeugnis und Auswege

Im PinkNews-Artikel berichtet eine Person, die früher die Samaritans-Hotline genutzt hat, von ihrer Erfahrung: "Als Teenager hat mein Kampf, meine Sexualität zu akzeptieren, sowie das Gefühl der Diskriminierung meine psychische Gesundheit beeinträchtigt. Es führte zu Depressionen und Angstzuständen, und ich habe mein ganzes Erwachsenenleben mit meiner psychischen Gesundheit zu kämpfen gehabt."

Der Zugang zu angemessener Unterstützung, die auf LGBTQ+-spezifische Probleme eingeht, sei "sehr schwierig" gewesen, und staatliche Dienste hätten einen "Mangel an Respekt, Würde, Sensibilität und Fürsorge" gezeigt. Glücklicherweise fand die Person schließlich Hilfe bei Freiwilligenorganisationen, die die LGBTQ+-Gemeinschaft unterstützen.

Aktuelle Forschung und Präventionsmaßnahmen in Deutschland

In Deutschland laufen derzeit wichtige Forschungsprojekte, die sich mit der psychischen Gesundheit von LGBTQ+ Personen befassen. Die Universität Witten/Herdecke führt seit 2022 eine Längsschnittstudie durch, die bis 2025 laufen soll und wichtige Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen von Diskriminierung auf die psychische Gesundheit liefern könnte.

Präventiv gibt es zunehmend Initiativen wie den Aktionsplan Suizidprävention des Bundesamts für Gesundheit, der gezielt Projekte fördert, die sich mit der Suizidprävention bei spezifischen Gruppen wie LGBTQ+ Jugendlichen beschäftigen.

Was getan werden muss

Die Expertengemeinschaft fordert mehrere konkrete Maßnahmen, um die Situation zu verbessern:

  • Mehr queere Beratungs- und Freizeitangebote, die niedrigschwellige Unterstützung bieten
  • Stärkere gesetzliche Bekämpfung von Homo- und Transphobie
  • Verbesserung der medizinischen Versorgung von LGBTQ+ Personen und Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen
  • Spezifische Schulungen für medizinisches Personal zum Umgang mit LGBTQ+ Patienten
  • Ausbau von Peer-Support-Angeboten und sicheren Räumen für LGBTQ+ Menschen

Die Ergebnisse aus Großbritannien und die Parallelen in Deutschland machen deutlich: Der Kampf gegen die überdurchschnittlich hohe Suizidgefährdung in der LGBTQ+ Community muss als gesellschaftliche Priorität behandelt werden. Es geht nicht um abstrakte Zahlen, sondern um Menschenleben.

Wenn Sie selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der Hilfe benötigt: Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 erreichbar. Spezifische Unterstützung für LGBTQ+ Personen bietet das bundesweite Coming-Out-Portal oder die Lambda-Jugendnetzwerke in den verschiedenen Bundesländern.

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