Die aktuelle Situation in North Dakota, wo der Senat eine Resolution gegen die gleichgeschlechtliche Ehe abgelehnt hat, wirft interessante Parallelen zur deutschen Debatte um die "Ehe für alle" auf. Im Gegensatz zu den USA, wo die Bundesstaaten in manchen Bereichen erhebliche Autonomie haben, ist die rechtliche Struktur in Deutschland anders gestaltet – mit wichtigen Unterschieden in Bezug auf den Widerstand gegen LGBTQ+-Rechte.
Bundesländer und ihr Widerstand gegen die Ehe für alle
In Deutschland gab es durchaus Widerstand gegen die "Ehe für alle", insbesondere aus Bayern. Die bayerische Staatsregierung unter der CSU erwog 2017 aktiv eine Verfassungsklage gegen das Gesetz zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beauftragte sogar zwei Rechtsgutachten, um die Erfolgsaussichten einer solchen Klage zu prüfen.
Letztendlich entschied sich Bayern jedoch gegen eine Klage, da die beauftragten Gutachter zu dem Schluss kamen, dass eine solche Klage wenig Erfolgsaussichten hätte. Die Gutachter argumentierten, dass der Bundesgesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe. Dennoch betonte die bayerische Staatsregierung, dass sie politisch weiterhin an der traditionellen Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau festhält.
Rechtliche Befugnisse der Bundesländer in Deutschland
Anders als in den USA können deutsche Bundesländer die "Ehe für alle" nicht eigenständig abschaffen oder einschränken. Das deutsche Eherecht fällt unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Obwohl die Familienpolitik grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, gibt es klare Grenzen:
- Bundesgesetze wie das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" haben Vorrang vor Landesrecht.
- Das Bundesverfassungsgericht ist die letzte Instanz bei verfassungsrechtlichen Fragen – nicht die Landesverfassungsgerichte.
- Die Bundesländer können eigene familienpolitische Maßnahmen ergreifen, aber diese dürfen nicht im Widerspruch zu Bundesgesetzen stehen.
Dies steht im Kontrast zum föderalen System der USA, wo Bundesstaaten wie North Dakota Resolutionen einbringen können, die den Supreme Court auffordern, seine Entscheidungen zu überdenken, und wo Bundesstaaten in manchen Rechtsbereichen erhebliche Autonomie haben.
Der rechtliche Weg zur Ehe für alle in Deutschland
Die "Ehe für alle" wurde in Deutschland nicht durch ein Gerichtsurteil eingeführt, wie es in den USA der Fall war, sondern durch einen parlamentarischen Beschluss. Am 30. Juni 2017 stimmte der Bundestag mit 393 zu 226 Stimmen für die Öffnung der Ehe, die am 1. Oktober desselben Jahres in Kraft trat.
Kritiker der "Ehe für alle" beriefen sich auf Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Sie argumentierten, dass mit Ehe im Grundgesetz ausschließlich die Ehe zwischen Mann und Frau gemeint sei. Befürworter hingegen verwiesen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht bereits früher festgestellt hatte, dass für den Begriff "Ehe" das maßgebend ist, was die Allgemeinheit als Ehe ansieht – und dass sich dieser Begriff im Laufe der Zeit wandeln kann.
Die große Unterschied: Verfassungsrechtliche Stabilität
Ein entscheidender Unterschied zwischen Deutschland und den USA liegt in der verfassungsrechtlichen Stabilität der gleichgeschlechtlichen Ehe. In den USA wurde die gleichgeschlechtliche Ehe durch ein Urteil des Supreme Court im Fall Obergefell v. Hodges (2015) legalisiert. Da die Zusammensetzung des Supreme Court sich ändern kann, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass dieses Urteil in Zukunft aufgehoben wird – daher die Resolutionen in Bundesstaaten wie North Dakota.
In Deutschland hingegen wurde die "Ehe für alle" per Gesetz eingeführt. Um dieses Gesetz aufzuheben, wäre ein neues Gesetz nötig, das eine Mehrheit im Bundestag erhalten müsste. Angesichts der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland – laut einer Umfrage der Bundeszentrale für politische Bildung befürwortet eine klare Mehrheit der Deutschen die "Ehe für alle" – erscheint dies unwahrscheinlich.
Gesellschaftliche Akzeptanz und politische Realität
Sowohl in Deutschland als auch in den USA zeigt sich eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und politischen Bestrebungen. In North Dakota ergab eine Umfrage, dass 56 Prozent der Befragten die Resolution gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnten. Ähnlich verhält es sich in Deutschland, wo die gesellschaftliche Akzeptanz der "Ehe für alle" höher ist als es die politischen Debatten manchmal vermuten lassen.
Der aktuelle Zehnte Familienbericht der Bundesregierung betont die Notwendigkeit einer Politik, die die Vielfalt von Familienformen anerkennt und fördert. Dies zeigt, dass sich der gesellschaftliche und politische Diskurs in Deutschland weiterentwickelt hat – weg von der Frage, ob die gleichgeschlechtliche Ehe rechtlich möglich sein sollte, hin zu der Frage, wie alle Familienformen bestmöglich unterstützt werden können.
Fazit: Verschiedene Systeme, ähnliche Herausforderungen
Obwohl die rechtlichen Systeme in Deutschland und den USA unterschiedlich sind, zeigen sich ähnliche gesellschaftliche Spannungen. Die abgelehnte Resolution in North Dakota und der zurückgezogene Klageplan in Bayern verdeutlichen, dass der Kampf um LGBTQ+-Rechte in beiden Ländern nicht abgeschlossen ist.
Der wesentliche Unterschied liegt jedoch in der rechtlichen Stabilität: Während in den USA die gleichgeschlechtliche Ehe durch Gerichtsbeschlüsse wie Obergefell vs. Hodges oder Gesetze wie den "Respect for Marriage Act" geschützt wird, aber theoretisch durch neue Gerichtsentscheidungen gefährdet sein könnte, genießt die "Ehe für alle" in Deutschland als Bundesgesetz eine höhere rechtliche Sicherheit.
Die Erfahrungen aus beiden Ländern zeigen: Der Weg zu vollständiger Gleichstellung ist nicht immer geradlinig, aber die gesellschaftliche Akzeptanz nimmt zu – unabhängig von politischen Widerständen.