Toiletten-Streit im britischen Parlament: Ein Spiegel der unterschiedlichen Trans-Rechte in Europa

Ein Vorfall im britischen Parlament verdeutlicht die wachsende Kluft zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich beim Umgang mit Transgender-Rechten. Am 11. Juni eskalierte ein Toiletten-Streit im House of Commons, als die prominente Trans-Anwältin Robin Moira White nach einem Ausschusstermin die Damentoilette benutzte und dabei von "genderkritischen" Aktivistinnen konfrontiert wurde.

Der Vorfall: Konfrontation im Herzen der Demokratie

Robin Moira White, eine führende Expertin für Diskriminierungs- und Arbeitsrecht, befand sich im Portcullis House in Westminster, um an einer Anhörung des Ausschusses für Frauen und Gleichstellung teilzunehmen. Die Anhörung fand zwei Monate nach einem kontroversen Urteil des britischen Supreme Court statt, das den Begriff "Geschlecht" im Equality Act 2010 auf das biologische Geschlecht beschränkte.

Als White nach der Anhörung die Damentoilette benutzen wollte und von einem Parlamentsmitarbeiter dorthin begleitet wurde, warteten bereits Kate Harris, Mitbegründerin der LGB Alliance, und Heather Binning von der Women's Rights Network auf sie. Die Trans-Advocacy-Organisation TransLucent beschreibt den Vorfall als "Hinterhalt", bei dem eine "hässliche Auseinandersetzung" stattfand.

Entschuldigung und rechtliche Unsicherheit

Besonders brisant: Das House of Commons entschuldigte sich später bei den "genderkritischen" Aktivistinnen und räumte ein, dass White "wahrscheinlich nicht zu den Damentoiletten hätte geleitet werden sollen". Diese Entschuldigung erfolgte in einer E-Mail, die von The Telegraph eingesehen wurde und die rechtliche Verwirrung nach dem Supreme Court-Urteil verdeutlicht.

Ein Sprecher des House of Commons betonte, man handle "in vollständiger Übereinstimmung mit dem Gesetz, wie es im Urteil des Supreme Court dargelegt wurde" und warte auf vollständige Leitlinien der Equality and Human Rights Commission (EHRC).

Deutschland als Gegenpol: Selbstbestimmung statt Biologismus

Während sich das Vereinigte Königreich nach dem Supreme Court-Urteil in eine restriktivere Richtung bewegt, geht Deutschland den entgegengesetzten Weg. Seit dem 1. November 2024 ist das deutsche Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das Trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ermöglicht, ihre Geschlechtsangabe und Namen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern.

Im Gegensatz zum britischen System, das nach dem Supreme Court-Urteil das biologische Geschlecht betont, basiert das deutsche Gesetz auf Selbstbestimmung. Keine medizinischen Gutachten oder Gerichtsentscheidungen sind mehr erforderlich – ein Paradigmenwechsel, der Deutschland zu einem der progressivsten Länder Europas in der Trans-Rechtsprechung macht.

Zwei Rechtssysteme, zwei Philosophien

Die Unterschiede zwischen beiden Ländern könnten kaum größer sein:

  • Das britische System fokussiert nach dem Supreme Court-Urteil strikt auf das biologische Geschlecht und schränkt Trans-Rechte in öffentlichen Räumen ein
  • Deutschland ermöglicht hingegen die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität ohne bürokratische Hürden
  • Während in Großbritannien eine Konsultation der EHRC über verschärfte Richtlinien läuft, können Deutsche ihre Geschlechtsangabe mittlerweile auch als "nicht-binär" eintragen lassen

Widerstand und Mobilisierung

Robin Moira White reagierte auf die Angriffe gelassen, aber bestimmt. Auf Bluesky schrieb sie: "Genderkritische Ideologie-Twitter ist überrannt von Leuten, die versuchen, die mir am Mittwoch gezeigte Unfreundlichkeit zu rechtfertigen." Sie betonte, dass der Versuch, Trans-Personen von geschlechtsgerechten Einrichtungen zu verbannen, "unnötig, albern, unpraktisch und grausam" sei.

Die LGBTQ+-Community mobilisiert sich unterdessen für den 25. Juni, wenn eine Massen-Lobby-Veranstaltung im britischen Parlament stattfinden soll. Die Organisatoren erwarten die größte LGBTQ+-Lobby seit dem Kampf gegen Section 28 und die größte Trans+-Lobby aller Zeiten.

Ausblick: Europa im Wandel

Der Toiletten-Streit im House of Commons ist mehr als ein isolierter Vorfall – er symbolisiert die wachsende Polarisierung in der europäischen Trans-Politik. Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz internationale Standards setzt, bewegt sich das Vereinigte Königreich in die entgegengesetzte Richtung.

Für Trans-Personen in Deutschland bietet diese Entwicklung sowohl Hoffnung als auch Verantwortung: Die rechtlichen Fortschritte hier können als Modell für andere Länder dienen, während der Rückschritt in Großbritannien zeigt, wie fragil erkämpfte Rechte sein können. Der Kampf um Gleichberechtigung und Würde geht weiter – auf beiden Seiten des Kanals.

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