Rechtsextreme Gewalt gegen LGBTQ+-Events: Was der Angriff in Bad Freienwalde ĂĽber den Schutz queerer Veranstaltungen lehrt

Der gewaltsame Angriff auf die Kundgebung "Bad Freienwalde ist bunt" zeigt einmal mehr die erschreckende Realität auf, mit der sich LGBTQ+-Aktivist*innen und ihre Unterstützer*innen in Deutschland konfrontiert sehen. Wie queer.de berichtet, wurden bei dem Überfall vermummter Rechtsextremer mindestens zwei Menschen verletzt – ein Angriff, der weit über das hinausgeht, was bisher bei solchen Veranstaltungen erlebt wurde.

Wenn Hass auf dem Marktplatz zuschlägt

Es war ein Sonntagnachmittag, der eigentlich Hoffnung vermitteln sollte. Das Bündnis "Bad Freienwalde ist bunt" hatte zu einer friedlichen Kundgebung eingeladen – mit Kinderprogramm, Livemusik und Graffitiworkshop. Doch kurz vor Beginn der Veranstaltung schlugen zwischen 10 und 15 vermummte Angreifer mit Schlagwerkzeugen und Holzlatten zu. Ihre Ziele: Menschen, die sich für Vielfalt und Toleranz einsetzen – darunter explizit Mitglieder der queeren Community.

Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) fand nach dem Vorfall deutliche Worte: "Was wir in Bad Freienwalde gesehen haben, hat eine völlig andere Qualität." Die Gewaltbereitschaft junger Rechtsextremisten sei alarmierend. Ermittler*innen prüfen inzwischen einen Hinweis auf einen möglichen Verdächtigen aus der rechtsextremen Szene, der Verbindungen zur Kleinstpartei "Der Dritte Weg" haben soll.

Polizeischutz zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Die Diskussion um den angemessenen Schutz für LGBTQ+-Veranstaltungen erreicht nach Bad Freienwalde eine neue Dimension. Während Kritiker*innen bemängeln, die Polizei sei zu Beginn der Veranstaltung nicht präsent gewesen, verteidigt Innenminister Wilke die Einsatztaktik: "Die Beamten waren zurückhaltend postiert – wie das bei solchen Veranstaltungen auch oft gewünscht ist."

Diese "zurückhaltende Postierung" wirft jedoch grundsätzliche Fragen auf. Zwei Streifenwagen direkt vor Ort und einer im Umfeld – reicht das aus für eine Veranstaltung, die sich explizit für Diversität und gegen Rechtsextremismus positioniert? Die Antwort aus Bad Freienwalde lautet offensichtlich: Nein.

Deutschland im Brennpunkt rechter Gewalt

Bad Freienwalde steht nicht allein da. Die Berliner Register dokumentierten 2024 einen Höchststand an rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen und queerfeindlichen Vorfällen. Parallel dazu fanden in Brandenburg 2024 neun Christopher Street Days statt – so viele wie nie zuvor. Die Gleichzeitigkeit von wachsendem Pride-Engagement und zunehmender rechtsextremer Gewalt zeigt die Polarisierung unserer Gesellschaft in erschreckender Klarheit.

Besonders besorgniserregend: Nach dem Angriff musste das Berthold-Brecht-Gymnasium in Bad Freienwalde seine Pride Week unter Polizeischutz durchführen. Wenn Schulen für ihre Diversity-Projekte Polizeischutz benötigen, ist das ein Armutszeugnis für unsere demokratische Kultur.

Politische Reaktionen zwischen Entschlossenheit und Hilflosigkeit

Die politischen Reaktionen auf Bad Freienwalde fallen erwartbar aus, wirken aber angesichts der Dramatik der Lage fast hilflos. SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann fordert mehr Schutzvorkehrungen, CDU-Fraktionschef Jan Redmann betont, der Staat müsse sich "voll und ganz" hinter Menschen stellen, die sich für Vielfalt engagieren. Selbst die AfD distanziert sich – auf ihre Art.

"Wir lehnen Gewalt grundsätzlich ab und entschieden ab. Wir lehnen sie ab aus Prinzip und weil wir wissen, dass das uns schadet", sagte AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. Eine bemerkenswerte Formulierung, die weniger moralische Überzeugung als taktisches Kalkül verrät.

Der Preis der Sichtbarkeit

Was Bad Freienwalde letztendlich offenlegt, ist ein fundamentales Dilemma: Je sichtbarer sich die LGBTQ+-Community macht, desto mehr wird sie zur Zielscheibe. Veranstaltungen wie "Bad Freienwalde ist bunt" sind Akte des Mutes – und werden zunehmend zu Akten des Risikos.

Minister Wilke hat recht, wenn er sagt, dass eine hundertprozentige Absicherung nicht umsetzbar ist. Aber die Alternative kann nicht sein, dass Menschen aus Angst vor Angriffen auf ihr Recht auf Versammlung und freie Meinungsäußerung verzichten. Die Frage ist nicht, ob wir uns mehr Schutz leisten können, sondern ob wir uns weniger Demokratie leisten wollen.

Bad Freienwalde ist zu einem Symbol geworden – für den Mut der LGBTQ+-Community und ihrer Unterstützer*innen, aber auch für die wachsende Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt. Die Antwort auf diese Herausforderung kann nur eine gesamtgesellschaftliche sein: Mehr Solidarität, besserer Schutz und die unmissverständliche Botschaft, dass Vielfalt und Toleranz in Deutschland nicht verhandelbar sind.

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