Polizeibeamte in Indonesien haben bei einer Razzia in einer privaten Villa 75 Menschen festgenommen, die sie als Teilnehmer einer "schwulen Party" bezeichneten. Der Vorfall, über den die internationale Presse berichtet, ereignete sich am 22. Juni 2025 in Bogor, einer Stadt in der Nähe der indonesischen Hauptstadt Jakarta.
Die Verhaftungen: Ein Muster systematischer Diskriminierung
Bei der Razzia wurden 74 Männer und eine Frau festgenommen. Die Polizei führte die Aktion nach Berichten aus der Bevölkerung über vermeintliche "schwule Aktivitäten" durch. Als angebliche Beweise beschlagnahmten die Beamten Sexspielzeug, vier Kondome und ein Schwert, das laut Polizei für eine Tanzvorführung verwendet wurde.
Die Festgenommenen wurden zur weiteren Befragung und zu HIV-Tests auf das Polizeipräsidium von Bogor gebracht – eine Praxis, die Amnesty International als diskriminierend und menschenrechtswidrig verurteilt.
Indonesiens komplexe Rechtslage
Homosexualität ist in Indonesien auf nationaler Ebene nicht illegal, doch die Realität für LGBTQ+ Menschen ist kompliziert. Das Pornographiegesetz von 2008 wird regelmäßig missbraucht, um gegen LGBTQ+ Menschen vorzugehen. Das Gesetz verbietet Material, das "gegen die Normen der Gemeinschaftsmoral" verstößt – eine vage Formulierung, die willkürliche Verfolgung ermöglicht.
Besonders bedrohlich ist ein neues Strafgesetzbuch, das ab Januar 2026 in Kraft tritt und vorehelichen Geschlechtsverkehr unter Strafe stellt. Da gleichgeschlechtliche Ehen in Indonesien nicht erlaubt sind, werden homosexuelle Paare besonders betroffen sein.
Eine Welle der Verfolgung
Die jüngste Razzia ist kein Einzelfall. Allein in den ersten sechs Monaten 2025 dokumentierten Menschenrechtsorganisationen mehrere ähnliche Vorfälle:
- Im Mai 2025 wurden neun Menschen bei einer Hotelrazzia in SĂĽd-Jakarta verhaftet
- Im Februar 2025 wurden 56 Menschen bei einer weiteren Hotelrazzia festgenommen
Den Betroffenen drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren – für das "Verbrechen", sich privat zu versammeln und ihre Identität zu leben.
Parallelen zu deutschen Erfahrungen
Diese systematische Verfolgung erinnert schmerzlich an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte. Vor nicht allzu langer Zeit wurden auch hierzulande schwule Männer durch den Paragraf 175 kriminalisiert und verfolgt. Erst 1994 wurde das Gesetz vollständig abgeschafft – für viele Betroffene kam diese Rehabilitierung zu spät.
Die Parallelen sind erschreckend: private Zusammenkünfte werden zu "kriminellen Machenschaften" erklärt, Menschen werden öffentlich gedemütigt und ihre Privatsphäre verletzt. Was in Deutschland zum Glück Geschichte ist, erleben LGBTQ+ Menschen in Indonesien heute noch.
Internationale Reaktionen und Widerstand
Wirya Adiwena, stellvertretende Direktorin von Amnesty International Indonesien, verurteilte die Razzia scharf: "Diese diskriminierende Razzia auf eine privat gemietete Villa ist eine eklatante Verletzung der Menschenrechte und Privatsphäre und verdeutlicht das feindselige Umfeld für LGBTI-Menschen in Indonesien."
Amnesty fordert die sofortige Freilassung aller Verhafteten und ein Ende dieser "hassbasierten und demütigenden Razzien". Die Organisation betont, dass niemand aufgrund seiner tatsächlichen oder vermuteten sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verhaftet, eingeschüchtert oder öffentlich beschämt werden sollte.
Ein Blick nach Aceh: Wenn Religion Gesetz wird
Besonders dramatisch ist die Situation in der Provinz Aceh, wo die Scharia-Gesetzgebung gilt. Hier sind homosexuelle Handlungen explizit illegal. Erst kürzlich wurden zwei Studenten wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung öffentlich ausgepeitscht – eine barbarische Praxis, die internationale Empörung auslöste.
Was können wir tun?
Als deutsche LGBTQ+ Community haben wir die Verantwortung, unsere Stimme fĂĽr verfolgte Menschen weltweit zu erheben. Organisationen wie Amnesty International Deutschland setzen sich aktiv fĂĽr die Rechte von LGBTQ+ Menschen in Indonesien ein.
Jede Verhaftung, jede Demütigung, jeder Verstoß gegen die Menschenwürde in Indonesien betrifft uns alle. Denn Menschenrechte sind unteilbar – sie gelten überall oder nirgends. Die Ereignisse in Bogor erinnern uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung noch lange nicht gewonnen ist.
Während wir in Deutschland unsere hart erkämpften Rechte feiern können, dürfen wir nicht vergessen, dass Millionen von LGBTQ+ Menschen weltweit noch immer um ihre grundlegendsten Rechte kämpfen müssen – das Recht, zu lieben, zu leben und einfach zu sein.