Brutal ausgehebelt: Wenn Berlins Regenbogenkiez zum Schlachtfeld wird

In der Nacht zum Samstag wurde der Regenbogenkiez am Nollendorfplatz erneut zur Kriegszone: Der Besitzer des beliebten Café Romeo und Romeo wurde mit einer Bierflasche attackiert und schwer am Kopf verletzt. Dieser schockierende Vorfall, wie queer.de berichtet, ist nur die Spitze eines Eisbergs aus systematischer Gewalt gegen die LGBTQ+ Community in Berlin.

Brutaler Angriff auf Berlins Herz der Queer-Szene

Es war kurz nach 22:30 Uhr am Samstagabend, als ein 23-JĂ€hriger die friedliche AtmosphĂ€re vor dem Romeo und Romeo in der Motzstraße zerstörte. Der TĂ€ter sprach zunĂ€chst drei MĂ€nner an einem Tisch vor dem bereits geschlossenen CafĂ© an – den 56-jĂ€hrigen Betreiber und zwei weitere GĂ€ste im Alter von 28 und 58 Jahren. Als die MĂ€nner ihn höflich baten zu gehen, entlud sich ein Ausbruch homophober Wut.

Der 23-JĂ€hrige kam nach seinem ersten Weggang zurĂŒck und schlug dem CafĂ©besitzer mit voller Wucht eine Bierflasche gegen den Kopf. Die Flasche zerbrach, hinterließ eine blutende Platzwunde und ein Trauma, das weit ĂŒber die körperlichen Verletzungen hinausgeht. „Er ist das Gesicht und die Seele des Romeo & Romeo", beschreibt Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano den Betreiber emotional.

Deutschlandweite Zunahme: Wenn Hass zur Epidemie wird

Der Angriff auf das Romeo und Romeo ist kein Einzelfall, sondern Symptom einer beunruhigenden Entwicklung. Aktuelle Zahlen des LSVD zeigen einen dramatischen Anstieg: 2024 wurden bundesweit 1.765 FĂ€lle queerfeindlicher Gewalt im Bereich "sexuelle Orientierung" und 1.152 FĂ€lle bezĂŒglich "geschlechtsbezogener DiversitĂ€t" gemeldet. In Berlin erreichten die polizeilich erfassten Straftaten 2023 mit 588 FĂ€llen einen neuen Höchststand.

Diese Statistiken erzĂ€hlen die Geschichte einer Community unter Belagerung. Die TĂ€ter sind ĂŒberwiegend mĂ€nnlich und oft bereits polizeibekannt. Ihre Angriffe reichen von Beleidigungen ĂŒber gefĂ€hrliche Körperverletzungen bis hin zu systematischem Vandalismus gegen queere Einrichtungen.

SolidaritÀt in Zeiten der Bedrohung

Die Reaktionen auf den Angriff zeigen sowohl die Verwundbarkeit als auch die StĂ€rke der Berliner LGBTQ+ Community. FĂŒr Montag um 19 Uhr wurde eine Kundgebung vor dem Romeo und Romeo organisiert, unterstĂŒtzt von Prominenten wie AnwĂ€ltin Sissy Kraus und den Politikern Hakan Tas (Linke) und Ralph Ehrlich (SPD). Unter dem Motto „Kundgebung gegen Gewalt – fĂŒr SolidaritĂ€t in unserer Nachbarschaft" soll ein Zeichen gegen die zunehmende Bedrohung gesetzt werden.

Auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) meldeten sich zu Wort und kritisierten scharf: „Wir stehen unter Beschuss. Jeden Tag – zu jeder Zeit." Sie bemĂ€ngelten, dass ĂŒber „Symbolpolitik in Form von Flaggen auf dem Reichstag diskutiert" werde, wĂ€hrend Menschen „brutal angegriffen, bedroht und eingeschĂŒchtert" wĂŒrden.

Wenn sichere RĂ€ume zu Kampfzonen werden

Besonders perfide: Die Angriffe konzentrieren sich gezielt auf Orte, die als sichere HĂ€fen fĂŒr die LGBTQ+ Community gelten. Nur wenige Stunden vor dem Angriff auf das Romeo und Romeo wurde auch die Tipsy Bear Bar in Prenzlauer Berg attackiert. Eine Gruppe mit BaseballschlĂ€gern riss die Regenbogenflagge ab, warf sie in den MĂŒll und beleidigte den Besitzer homophob. Personal und GĂ€ste mussten sich einschließen.

Das CafĂ© „Das Hoven" in Neukölln ist ebenfalls regelmĂ€ĂŸiges Ziel von Vandalismus – von EierwĂŒrfen bis hin zu einem durch die Fensterscheibe geworfenen Feuerlöscher. Diese systematischen Angriffe zeigen: Es geht nicht um zufĂ€llige Gewalt, sondern um den gezielten Versuch, queere Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verdrĂ€ngen.

Politik zwischen AnkĂŒndigung und RealitĂ€t

Der Berliner Senat hat eine „Landesstrategie fĂŒr queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit" angekĂŒndigt, die bis Ende 2025 verabschiedet werden soll. Queerbeauftragter Pantisano arbeitet an konkreten Schutzmaßnahmen fĂŒr Menschen und deren Locations. Doch angesichts der eskalierenden Gewalt stellt sich die Frage: Reichen Strategiepapiere aus, wenn Menschen tĂ€glich um ihre Sicherheit fĂŒrchten mĂŒssen?

Die Betroffenen fordern nicht nur PlĂ€ne, sondern sofortigen Polizeischutz und konkrete PrĂ€ventionsmaßnahmen. „Wann hört dieser Wahnsinn auf? Was muss noch passieren, bis alle kapieren, wie ernsthaft gefĂ€hrdet die queere Community ist?", fragt Pantisano verzweifelt nach dem jĂŒngsten Angriff.

Mehr als nur Statistiken: Menschliche Schicksale

Hinter jeder Zahl steht ein Mensch wie der Betreiber des Romeo und Romeo – Menschen, die ihr Leben der Schaffung sicherer RĂ€ume gewidmet haben und nun selbst zum Ziel werden. Der 56-JĂ€hrige, der mit einer Platzwunde im Krankenhaus behandelt werden musste, verkörpert das, was diese Angriffe wirklich bedeuten: den Versuch, die Lebensgrundlage und den Mut einer ganzen Community zu zerstören.

Der TĂ€ter wurde aufgrund seines auffĂ€lligen Verhaltens in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen – ein Detail, das die KomplexitĂ€t des Problems unterstreicht, aber nicht von der RealitĂ€t queerfeindlicher Motivation ablenken darf.

Die Botschaft ist klar: Berlins Regenbogenkiez und queere Einrichtungen deutschlandweit brauchen nicht nur symbolische UnterstĂŒtzung, sondern konkrete Schutzmaßnahmen. Denn jeder weitere Angriff ist einer zu viel in einer Gesellschaft, die sich als tolerant und vielfĂ€ltig versteht.

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